DAS UNIVERSELLE RICHTERSTATUT

Verabschiedet vom IVR-Zentralrat in Taiwan am 17. November 1999

Vorbemerkung.

Richter aus allen Teilen der Welt haben dieses Richterstatut entworfen. Das vorliegende Richterstatut ist das Ergebnis ihrer Arbeit. Es wurde von den Mitgliedsvereinigungen der Internationalen Vereinigung der Richter angenommen und enthält die allgemeinen Mindeststandards.

Der Text des Richterstatuts wurde einstimmig von den Delegierten des Zentralrats der Internationalen Vereinigung der Richter in Taipei (Taiwan) am 17.11.1999 angenommen.

Art. 1   Unabhängigkeit

Richter sollen in ihrer gesamten Tätigkeit jedermann Recht auf ein faires Verfahren sicherstellen. Sie sollen sich für das Recht jedes Einzelnen auf eine faire und öffentliche Verhandlung in angemessner Zeit durch ein unabhängiges und unparteiisches, durch Gesetz eingerichtetes Tribunal zur Entscheidung über dessen zivilrechtliche Rechte und Pflichten und über jeden gegen sie erhobenen strafrechtlichen Vorwurf, einsetzen.

Die Unabhängigkeit des Richters ist unabdingbar für eine auf Gesetz beruhende unparteiische Justiz. Alle Einrichtungen und Autoritäten auf nationaler und internationaler Ebene müssen diese Unabhängigkeit achten, beschützen und verteidigen.

Art. 2   Status

Richterliche Unabhängigkeit muss gesetzlich sichergestellt werden, indem das Richteramt so ausgestattet und geschützt wird, dass es tatsächlich und effektiv von den anderen Staatsgewalten unabhängig gestellt ist. Der Richter als Inhaber des Richteramts muss in der Lage sein, das Richteramt frei von sozialem, ökonomischem und politischem Druck und unabhängig von anderen Richtern und der Justizverwaltung auszuüben.

Art. 3   Bindung an das Gesetz

Bei Ausübung seiner richterlichen Aufgaben unterliegt der Richter nur dem Gesetz und hat nur dieses zu berücksichtigen.

Art. 4   Persönliche Autonomie

Niemand darf einem Richter Weisungen oder Anleitungen erteilen, die die richterliche Entscheidung beeinflussen könnten oder dieses versuchen , ausgenommen, wo dies vorgesehen ist, die von höheren Gerichten auf Grund von Rechtsmitteln in einem konkreten Fall ausgesprochene Rechtsansicht.

Art. 5   Unparteilichkeit und Zurückhaltung

Der Richter muss bei Ausübung seiner Aufgaben unparteiisch sein und auch so erscheinen.

Der Richter muss sein Amt mit Zurückhaltung und unter Beachtung der Würde des Gerichts und aller beteiligten Personen ausüben.

Art. 6   Effektivität

Der Richter muss seine Aufgaben mit Fleiß und Effektivität und ohne unangemessene Verzögerungen ausüben.

Art. 7   Verhalten außerhalb des Dienstes

Der Richter darf keinerlei andere Funktionen ausführen, weder öffentliche noch private, weder bezahlte noch unbezahlte, die nicht völlig mit den Aufgaben und dem Status eines Richter in Übereinstimmung gebracht werden können.

Der Richter darf ohne seine Zustimmung nicht auf andere Funktionen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit ernannt werden.

Art. 8   Sicherheit des Amtes

Ein Richter kann von seinem Amt nicht versetzt, freigestellt oder abgesetzt werden außer dies ist im Gesetz vorgesehen, in welchem Fall die Entscheidung in einem adäquaten Disziplinarverfahren erfolgen muss.

Ein Richter muss auf Lebenszeit ernannt werden oder für eine andere Zeitperiode unter Bedingungen, sodass die Unabhängigkeit nicht gefährdet ist.

Jede Änderung des zwingenden Pensionsalters für Richter darf nicht rückwirkend eingeführt werden.

Art. 9   Ernennung

Die Auswahl und jede Ernennung eines Richters muss auf Grund von objektiven und transparenten Kriterien, die auf geeigneten beruflichen Qualifikationen beruhen, erfolgen. Wenn das nicht in anderer Weise sichergestellt ist, die in bestehenden und erprobten Traditionen beruht, soll die Auswahl von einem unabhängigen Gremium getroffen werden, das eine substantielle Repräsentanz von Richtern beinhaltet.

Art. 10   Zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortlichkeit

Zivile Klagen, in Ländern wo dies erlaubt ist, und Strafverfolgung, inklusive Arrest, gegen einen Richter dürfen nur unter Umständen gestattet sein, die gewährleisten, dass seine Unabhängigkeit nicht beeinflusst werden kann.

Art. 11   Verwaltung und disziplinäre Maßnahmen

Die Verwaltung und die disziplinären Maßnahmen gegen Richter müssen so organisiert sein, dass sie die wirkliche Unabhängigkeit der Richter nicht beeinträchtigen und dass die Aufmerksamkeit nur auf objektive und gleichzeitig relevante Erwägungen gerichtet ist.

Wenn das nicht in anderer Weise sichergestellt ist, die in bestehenden und erprobten Traditionen beruht, sollen Justizverwaltung und disziplinäre Maßnahmen von einem unabhängigen Gremium getroffen werden, das eine substantielle Repräsentanz von Richtern aufweist.

Disziplinäre Maßnahmen gegen einen Richter können nur stattfinden, wenn diese zuvor im Gesetz vorgesehen sind und nur in Übereinstimmung mit vorbestimmten Prozessregeln.

Art. 12   Vereinigungen

Das Recht eines Richter einer Berufsvereinigung anzugehören, muss anerkannt werden, um Richtern eine Meinungsäußerung einzuräumen, insbesondere betreffend die Anwendung ihres ethischen und sonstigen Status und der für die Justiz notwendigen Mittel und um ihre gerechtfertigten Interessen zu verteidigen.

Art. 13   Gehalt und Pension

Der Richter muss ein ausreichendes Gehalt erhalten um sein wirkliche ökonomische Unabhängigkeit sicherzustellen. Das Gehalt darf nicht von Ergebnis der Tätigkeit des Richters abhängen und darf während der Dauer der Ausübung des Amtes nicht verringert werden.

Der Richter hat das Recht bei Pensionierung eine Jahresrente oder Pension zu erhalten die mit seinemr beruflichen Position entspricht.

Nahc seiner Pensionierung darf dem Richter nicht verboten werden nur deshalb keinen anderen Rechtsberuf ausüben zu dürfen, weil er vorher Richter gewesen ist.

Art. 14   Unterstützung

Die anderen Staatsgewalten müssen die Gerichtsbarkeit mit den notwendigen Mitteln ausstatten, damit sie ihre Aufgabe in geeigneter Weise durchführen kann. Die Gerichtsbarkeit muss die Möglichkeit haben an Entscheidungen in diesen Angelegenheiten mitzuwirken oder zumindest gehört zu werden.

Art. 15   Staatsanwaltschaft

In Ländern, in denen die Mitglieder der Staatsanwaltschaft Richter (magistrates) sind, gelten die oben angeführten Prinzipien mutatis mutandis auch für diese Richter.

November 1999

Liste der Delegationen die bei der Sitzung des Zentralrats der Internationalen Vereinigung der Richter in Taipei (Taiwan) am 17. November 1999 anwesend waren

ARGENTINA
AUSTRIA
BELGIUM
BOLIVIA
BRAZIL
CAMEROON
CANADA
COSTA RICA

CZECH REPUBLIC
DENMARK
ESTONIA
FORMER YUGOSLAV REPUBLIC OF MACEDONIA
FINLAND
FRANCE
GERMANY

GREECE
ICELAND
ISRAEL
ITALY
IVORY COAST
LATVIA
LIECHTENSTEIN
LITHUANIA

LUXEMBOURG
MOROCCO
NORWAY
PARAGUAY
POLAND (observer)
PORTUGAL
REPUBLIC OF CHINA (Taiwan)
ROUMANIA

SENEGAL
SLOVAKIA
SLOVENIA
SPAIN
SWEDEN
SWITZERLAND
THE NETHERLANDS
TUNISIA

UNITED KINGDOM
UNITED STATES OF AMERICA
URUGUAY

International Association of Judges
Union Internationale des Magistrats
Palazzo di Giustizia
Piazza Cavour – 00193 – Roma, Italy
tel. +39 06 6883 2213 – fax. +39 06 687 1195